top of page

REKOGNOSZIEREN

  • Autorenbild: daszimmer10
    daszimmer10
  • 6. Aug.
  • 7 Min. Lesezeit

Seid gegrüsst Ihr netten Menschen


In diesem Beitrag schildere ich Euch anhand einer echten Survival-Erfahrung (nicht so dramatisch wie sie Krakauer zu erzählen wüsste), weshalb Reskognoszieren als Lehrperson nicht nur wichtig ist, um bei einem allfälligen Prozess vor Gericht bestehen zu können, sondern auch, um nicht als billige Headline bei Blick, 20 Minuten oder Watson zu enden.


Sommerferien

Während es während der Sommerferien zahlreiche ins Ausland und ans Wasser zieht, konnte ich diesem Fleischmärt schon als Kind nichts abgewinnen. Damals genauso wie heute und wohl solange bis sich der Tod meiner erbarmt, erschliesst sich mir der Sinn dahinter nicht. Wieso will man umgeben von zu vielen halbnackten Menschen an einem Strand in der Sonne liegen, sich braten lassen (und Hautkrebs als Souvenir mitnachhause nehmen) und im bakterien- (und plastik-)verseuchten Wasser stehen oder schwimmen? Zugegeben meine Ichthyophobie spielt dabei auch eine gewichtige Rolle, dass ich jegliche Art von Gewässern meide. Was mich darauf bringt, dass es ganz schön niederträchtig von Google ist, dass Bilder von Fischen angezeigt werden, wenn man den Begriff "Ichthyophobie" eingibt. Das letzte, was jemand mit Ichthyophobie sehen will, sind Bilder von Fischen. -_^

ree

Aber weg von meiner Ichthyophobie und zurück zu den Sommerferien:


Zahlreiche Orte im Heimatland kann man schlichtweg nicht mehr besuchen, Social Media und sogenannten "Travel-Influencern" sei Dank. Blausee, Seealpsee, Oeschinensee... alles von Touris verseucht. Aber lassen wir die Problematik des Overtourismus mal aussen vor. Mich persönlich zieht es an Orte, an denen weder mit "Influencern" noch Tourigruppen zu rechnen ist. So dachte ich mir, ich könnte die Arbeit gleich mit meinen Ferien verbinden und im Kanton Graubünda rekognoszieren gehen. ^_^


Tschamut GR

Mit meiner Klasse war ich ja in Tschamut in der Ferienregion Surselva im Kanton Graubünden, dem ersten Dorf am Vorderrhein auf 1667 m am Aufstieg zum Oberalppass gelegen (Collenberg 2012), im Klassenlager. Da mir die Gegend gefällt, die Unterkunft super geeignet ist für ein Klassenlager und die Gastgeberin unkompliziert und sympathisch ist, werde ich wohl künftig wieder dort buchen, sollte ich je wieder ein Klassenlager durchführen (You never know). Die Gastgeberin hatte mir damals angeboten, sie zu kontaktieren, wenn ich mal wieder in Tschamut sein würde, da sie eine Ferienwohnung zu vermieten hätte. Gesagt getan. Sehr kurzfristig kontaktiert und eine Woche später fanden wir uns in der Ferienwohnung vor, die mega herzig und mit viel Liebe saniert worden ist.


In Tschamut gibt es nichts. Eine Kapelle, ein Kehrichthäuschen, Gruppenhäuser, eine Handvoll Einwohner, einen Höllenfürsten in Gestalt eines sehr wertend blickenden Geissbocks und einen Bahnhof. Die nächste Einkaufsmöglichkeit befindet sich rund 20 Zugminuten entfernt in Sedrun. Es gibt keinen Lieferdienst für Fressalien und der Handyempfang ist mal mehr, mal weniger. Es gibt zwar Wifi, aber dieses ist etwa gleich schlecht, wie mein altes von Sunrise: Mal ist es schneller, mal langsamer, mal ganz weg. Empfang hat man nur in unmittelbarer Nähe des Routers. Also perfekt für Menschen, die ihre Ruhe wollen. Sehr unattraktiv für "Influencer" ^_^.


Da Tschamut direkt unterhalb des Oberalppasses liegt, herrscht im Sommer reger Verkehr: Motorradfahrer (einer bretterte MÖTLEY CRÜE hörend sodass die ganze Gegend vibrierte, an uns vorbei), Reisebusse, Autos und die Mehbessere mit ihren Cabrios, eingekleidet in Moncler und Co. Schliesslich führt die Strasse nach Andermatt (Wie sagte einer der Einwohner dort in einem Interview mit - ich meine es war SRF - doch so schön? Man hätte den Ort damals besser geflutet, es sei eine Schande, was heute daraus geworden sei.), wo die Mehbessere heutzutage residieren.


Von Tschamut aus führen zahlreiche Wanderwege durch die Region. Von Leicht bis anspruchsvoll ist alles vertreten. Man hat eine Auswahl an wegen zum oder vom Oberalppass.


Auf unseren Wanderungen sind wir jeweils einer Handvoll freundlicher Wanderer begegnet. Einfach wundervoll. Wir hatten die Natur quasi für uns alleine und die Menschen, denen wir begegnet sind, haben stets freundlich gegrüsst. ^_^




Wanderung 1: Tschamut-Rueras-Sedrun

ree

Diese Wanderung hatten wir im Klassenlager unter der Führung jenes sogenannten "Erlebnispädagogen" unternommen. Ich wollte mir die Gegend und Varianten der Wege bei gutem Wetter anschauen.


Der anstrengendste Teil ist der Weg hoch zum Bahnhof -_^, von wo es nochmals bergauf geht und nach wenigen Minuten geht es eigentlich nur noch bergab. Sollte man ermüden, kann man in Rueras den Zug zurücknehmen - oder man geht weiter nach Sedrun und wird mit einem schönen Weg und einem Bach belohnt. ^_^.


Mein persönliches Highlight auf dieser Wanderung war die Geiss mit Corpse Paint 🤘🏻🤣:

"BLACK METAL IST KRIEG" – NARGAROTH
"BLACK METAL IST KRIEG" – NARGAROTH

Schwierigkeitsgrad: mittel

Strecke: 11,1 km

Dauer: 3:15 h

Aufstieg: 324 hm

Abstieg: 591 hm

Höchster Punkt: 1'884 m

Tiefster Punkt: 1'341 m

(Daten von outdooractive.)




Wanderung 2: Oberalpsee - Tschamut (AKA Survival-Training für Deppen)

Eigentlich war der Plan mal, dass wir vom Oberalpsee zum Tomasee (Rheinquelle) und zur Badushütte oder zum Stausee Curnera zu wandern. Plan B war der Pazolastock und von dort zur Rheinquelle. Wie es oft so ist, kam es zu einer kurzfristigen wetterbedingten Planänderung. Wir gingen zum Oberalppass und dessen See, an dem wir durchs Moor wateten (ohne von einem Lykanthropen angegriffen worden zu sein -> vgl. American Werewolf) und die Sonne und Stille geniessen konnten. Danach machten wir uns an den Abstieg nach Tschamut. So weit so gut, denkt man sich nun. Ab hier begann unsere Misere. Spätestens seit dem Intro von Seconds from Disaster wissen wir-, dass Unglücke nicht einfach so passieren, sie sind stets eine Verkettung verschiedener Umstände - so auch bei uns.



Fehler 1: Schlechte bis keine Vorbereitung

Wir waren schlecht vorbereitet. Keiner von uns hatte sich die Mühe gemacht, mal eine Wanderkarte anzuschauen, geschweigedenn eine mitzunehmen. Wir folgten einfach blindlings dem Wanderweg.


Fehler 2: Ignoranz

Während des Abstiegs merkte ich an, dass es mir nicht logisch sei, dass wir rechts der Passstrasse absteigen, wobei der Bahnhof auf der linken Seite liegt und wir laut irgendeiner Webseite beim Bahnhof hätten herauskommen müssen. Dennoch stiegen wir weiter frischfröhlich ab. Wir absorbierten die frische Luft, sowie die Eindrücke, welche die Bergwelt zu bieten hat. Was uns zu Fehler 3 bringt:


Fehler 3: Mangelnde Aufmerksamkeit

Irgendwo hätte ein Wegweiser stehen sollen, der uns darüber orientiert gehabt hätte, dass wir die Passstrasse zu überqueren haben. Keiner von uns hat diesen wahrgenommen. Lediglich jenen, der geradeaus zeigte bzw. abwärts.

So stiegen wir weiter ab, vorbei an netten Kühen und inmitten einer wunderschönen Landschaft. Irgendwann kamen wir dann an eine asphaltierte Strasse.



Fehler 4: Kopflos drauf los

Auf der Asphaltstrasse angekommen, waren wir doch recht irritiert. Wir hatten drei Möglichkeiten und keine davon schien uns besonders attraktiv:


Option 1: Umkehren

Option 2: der Passstrasse entlang (was angesichts der Raser ein Selbstmordkommando gewesen wäre)

Option 3: dem Wegweiser folgen, obschon der von der Passstrasse wegführte


Nach kurzem Beraten, folgten wir der asphaltierten Strasse, und erblickten in weiter Ferne einen Wegweiser. Dieser zeigte nach unten. Irritiert schauten wir einander an und überlegten, ob es ratsam ist, diesem Weg zu folgen, da es sich einfach irgendwie falsch angefühlt hat. Da die anderen Optionen reichlich unattraktiv waren, versuchten wir unser Gück mit diesem Weg. Wie sagte Arnold Schwarzenegger in Last Action Hero doch so schön?

Mächtig grosser Fehler.

Wir folgten dem Pfad und erfreuten uns an jedem Stein, der mit weiss-rot-weiss markiert war. Alsbald standen wir auf einer Anhöhe und suchten nach einer weiteren Markierung. In weiter ferne sahen wir dann auf einem grossen Stein ein paar weisse und rote Punkte. Eine Markierung, die von der Natur langsam und stetig entfernt wurde. Wir folgten ihr und standen bald im Nichts. Es gab drei Möglichkeiten und keine sah wie ein Wanderweg aus. Höchstens wie ein ungepflegter Wanderweg. Bei einem Weg ging es steil bergab. Nein Danke. Einer war dergestalt überwuchert, dass eine Machete vonnöten gewesen wäre, um nicht zerkratzt und zerfetzt durchzukommen. Also nahmen wir den Pfad, auf dem wir "nur" über einen Baum klettern mussten und kamen alsbald auf sowas wie eine Lichtung. Und jetzt? Ich glaubte etwas unterhalb eine Markierung zu sehen, wagte mich vor, rutschte aus, verlor den Halt und geriet ins Rutschen. Abwärts. Halt fand ich in einem Schlammloch, in dem ich bis mitte Schienbein eingesunken war. Ekelhaft. Fast wäre mein Schuh zurückgeblieben. Alles war arschglatt, also gab es nur noch die Möglichkeit weiter abwärts zu gehen/sliden. Weiters Einsinken in Schlammlöcher war die Folge. Die Bäume und Sträucher waren nicht wirklich hoch gewachsen, aber hoch genug, um nicht über sie drüber schauen zu können. Ich slidete weiter abwärts und hörte das Getose des Bergbachs immer näher und näher. So malte ich mir aus, dass ich über einen Abhang sliden und im Bergbach landen würde - oder auf einem Stein zerschlagen. Da gab es einen Moment, in dem ich mich am liebsten auf den Boden gesetzt und geheult hätte. Aber das hätte auch nichts an der Situation geändert. Als ich meine Rutschpartie beendet hatte, ging ich vorwärts und kam an einen Viehzaun. Ich rief nach meinem good old Droog. Keine Reaktion. Das Tosen des Bergbaches war einfach zu laut. Ich rief an und war er erstaunt, Empfang zu haben. Ich sprach Worte der Warnung aus: Komm bloss nicht diesen Weg! Ich hab grad eine Rutschpartie hinter mir! Geh nach rechts und folge dem Viehzaun." Anstelle zu warten, ging ich weiter, da ich mitten in einem Ameisenhaufen gestanden hatte.

Schliesslich holte mein unversehrter Droog mich ein und wir pilgerten durchs hohe Gras, das auf den Bildern gar nicht so hoch aussieht. Ich sagte, lass uns dem Zaun folgen und so folgten wir diesem bis wir unter ihm durchkletterten, da wir wussten, dass sich irgendwo in der Nähe eine Brücke befand. Von weit oben sahen wir die Brücke. Mein Droog schrie "Ich sehe eine Markierung! Dort oben!" Also erklammen wir den Hügel und setzten unsere Reise auf dem Wanderweg fort.


Wir lachten darüber, dass wir uns glücklich schätzen können, nicht als Headline eines Schmierblattes zu enden oder gar "viral" zu gehen, als Idioten die vom Weg ab gekommen sind und sich verirrt hatten. Ich lachte, machte mir aber gleichzeitig Gedanken über meinen Schutzengel. Ich war mir sicher, dass dä arm Siech in diesem Moment mit dem Schreiben seiner Kündigung beschäftigt war...




Ab hier fanden wir zurück auf den Wanderweg wieder, der wirklich schön ist:


Weil es so schön ist:


Gelb ist der Wanderweg, rot ist unsere Survival-Erfahrung (so +/-).
Gelb ist der Wanderweg, rot ist unsere Survival-Erfahrung (so +/-).

ree

Wer mich kennt, weiss wohl auch um meine Vorliebe für das Subgenre Psychological Horror und darunter insbesondere Survival. Kehre um, sofern dies noch möglich ist. Folge der Flussrichtung des Wassers. Folge Zäunen. Und wenn man sich bereits verirrt hat: geh weiter, geh nicht zurück oder in eine andere Richtung, Orientiere dich am Sonnenstand. Bei Bären:

If it's brown, lay down. If it's black, fight back. If it's white, good night.

Scherz beiseite. Wir hatten uns noch über Touris lustig gemacht, die in FlipFlops in die Berge gehen. Wir hatten zwar Wanderschuhe, haben aber dennoch ein paar üble Fehler gemacht, die uns anderswo hätten das Leben kosten können.

Im Nachhinein können wir darüber lachen, dennoch ziehen wir unsere Lehre daraus. Nie wieder unvorbereitet in die Berge - selbst wenn Wanderwege ausgeschildert sind.


Was mich zum Titel dieses Posts bringt: REKOGNOSZIEREN!

Man stelle sich vor, ich wäre anstelle meines good old Droogs mit einer Klasse unterwegs gewesen. Nicht auszudenken... Einfach weil man sich sagt, "ist ja alles ausgeschildert". Ja Genosse, das mag sein, dennoch ist man gut beraten, wenn man Wanderwege erstmal selbst abläuft, um genau sowas zu vermeiden.


QUELLEN


Collenberg, A.: Tschamut. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008135/2012-11-19/. Konsultiert am 02.08.2025.


Tschamut - Rueras - Sedrun. In: citymobile. Online: https://www.citymobile.ch/index.php?apid=1563629&brandid=7181. Konsultiert am 06.08.2025


Tschamut - Rueras - Sedrun. (2017). In: outdooractive. Online: https://www.outdooractive.com/de/route/winterwandern/disentis-sedrun/tschamut-rueras-sedrun/24499927/#caml=5ms,14lmq1,7o18n1,0,0. Konsultiert am 06.08.2025.

Kommentare


To be free

one must give up

a little part of oneself.

– Hedwigs Mom

  • Instagram
  • Youtube

AGB

Cookies

Datenschutz

Impressum

© 2024 Das Zimmer 10.  Website erstellt mit Wix

Непрощенный
Непрощенный
Непрощенный
Непрощенный
Непрощенный
Непрощенный

bottom of page